Angst vor Shitstorms: Bosse fremdeln mit sozialen Netzwerken.
In Deutschland scheuen sich die großen Vorstandschefs noch davor, in den sozialen Netzwerken ihre Gesichter zu zeigen. Dabei wollen gerade junge Käufer wissen, wer ein Unternehmen führt. Ein Immobilieninvestor aus Berlin macht vor, welche Vorteile Instagram und Co. bieten.
Bilder im Anzug am Schreibtisch seines Berliner Büros, in Badehose und Hemd am Strand auf den Malediven oder in voller Ski-Montur im Winterurlaub in Österreich: Jakob Mähren teilt mit seinen knapp 100.000 Followern gern die schönen Momente seines Lebens als Immobilieninvestor.
„Instagram ist längst kein reiner Bilderdienst mehr, sondern hat sich zu einer Plattform entwickelt, auf der Marken nicht nur entstehen, sondern auch gehandelt werden“, sagt der 36-Jährige n-tv.de. Seine Instagram Stories schauen nach eigenen Angaben bis zu 20.000 Menschen an. Dem Investor folgen inzwischen viele Leute aus der Branche. „Wenn ich auf meinem Profil bekannt mache, dass wir Immobilien in Nordrhein-Westfalen kaufen, dann resultieren daraus nicht nur neue Geschäftskontakte und Angebote, sondern es entstehen oftmals auch richtige Deals.“
Unter deutschen Unternehmern ist Mähren damit noch eine Ausnahme. Dass soziale Netzwerke deutlich mehr Wahrnehmung verschaffen als klassisches Marketing und den direkten Kontakt mit Geschäftspartnern ermöglichen, ist in den meisten deutschen Chefetagen noch nicht angekommen. Wenn es darum geht, öffentlich Gesicht zu zeigen, herrscht allgemein Zurückhaltung. Viele Unternehmen schüchtert das hohe Shitstorm-Potenzial, der große Aufwand und das ungefilterte Feedback ein.
Laut der „Digital Dax-Analyse 2018“ der Unternehmensberatung Oliver Wyman nutzen nur 7 von 30 Vorstandschefs im Dax soziale Netzwerke wie LinkedIn, Xing, Twitter oder Instagram. Mit Joe Kaeser von Siemens, Bill McDermott von SAP, Markus Braun von Wirecard und Markus Steilmann von Covestro sind nur vier Top-Manager aktiv auf Twitter unterwegs. Lediglich McDermott und Allianz-Vorstandschef Oliver Bäte bespielen zusätzlich noch einen Instagram-Account.
Follower als Währung
Obwohl sich der Anteil der Dax-Chefs in den sozialen Netzwerken innerhalb des vergangenen Jahres von drei auf sieben mehr als verdoppelt hat, klafft im Vergleich zu den Nachbarländern noch eine gewaltige Lücke. Mit 47 Prozent in Österreich und 53 Prozent in der Schweiz sind dort jeweils deutlich mehr Geschäftsführer auf Twitter und Co. vertreten.
In Deutschland haben Unternehmen große Angst davor, in der Öffentlichkeit etwas falsch zu machen. Privates und Geschäftliches wird strikt getrennt. „Ich mache genau das Gegenteil“, sagt Mähren. „Meine Firma ist Teil meines Privatlebens und andersherum, sie heißt nun mal sogar so wie ich.“ Im Schnitt investiert der Immobilieninvestor 15 Minuten pro Tag in seinen Instagram-Auftritt. Die Fotos macht mal ein Fotograf, jemand, mit dem er gerade unterwegs ist, oder er selbst. Für Mähren lohnt sich der Aufwand. Er ist überzeugt: Follower sind eine Währung der Zukunft.
Für die Expertin Nadine Dlouhy sticht Mährens Profil durch Professionalität hervor. „Die Bildauswahl auf seinem Instagram-Account ist in einem Stil gehalten und voll auf seine Person fokussiert. Der hohe Inszenierungsgrad kommt bei seinen Followern gut an“, sagt sie n-tv.de. Wie viele der Follower „echt“ sind und wie viele davon „gekauft“, bleibt dabei ein Geheimnis. Von „falschen“ Followern will der Investor zwar nichts wissen, er räumt aber ein, dafür bezahlt zu haben, dass andere Accounts auf seinen hinweisen. Auch wenn Mähren damit nicht der Einzige ist und gekaufte Follower auf Instagram durchaus nicht selten sind, rät Dlouhy Dax-Vorstandschefs dringend davon ab, sich Abonnenten zu kaufen. Die Interaktionsrate werde durch die gekauften Fans nicht steigen. Ein Account mit einer sehr hohen Zahl an Followern, aber so gut wie keiner Interaktion sei nicht automatisch mehr wert. „Die junge Generation, die hier oftmals angesprochen werden soll, durchschaut diese Manipulation auf den ersten Blick.“