In Deutschland gibt es rund 3,6 Millionen steuerpflichtige Unternehmen, die meisten sind kleine und mittlere Betriebe. Wie können Unternehmen bei der hohen Anzahl an Wettbewerbern noch herausragen? Und was zeichnet einen USP überhaupt aus?
Es ist paradox: Auf der einen Seite ist der USP (unique selling proposition), also das Alleinstellungsmerkmal eines Unternehmens, der Indikator, der darüber entscheidet, ob ein Geschäftsmodell erfolgreich ist oder nicht. Auf der anderen Seite, so zeigt eine aktuelle Studie des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Management- und Technologieberatung Sopra Steria, weiß jeder vierte Manager nicht, worin der Wettbewerbsvorteil des eigenen Unternehmens besteht. Jeder fünfte gibt an, dass sein Unternehmen über gar keinen verfügt. Nadine Dlouhy, CEO der Markenagentur BrandLite, erklärt, woran das liegt und was ein USP braucht, um im Markt erfolgreich zu sein.
Was zeichnet ein USP konkret aus?
Nadine Dlouhy: Aus meiner Erfahrung ist aus dem USP längst ein UVP (Unique Value Proposition) geworden. Denn das Image einer Marke, eines Unternehmens, aber auch von Menschen wird immer mehr zur alles entscheidenden Wirtschaftskraft. Das heißt im Klartext, Konsumenten kaufen weniger das Produkt als vielmehr das Gefühl, das a) beim Kauf entsteht oder b) durch das Produkt erworben wird. Erfolgreiche Unternehmen setzen ihr Image gezielt als „Kauf-Treiber“ ein. Denn: Image. Macht. Erfolg. Image ist mehr als Sichtbarkeit. Image ist emotionale Identität. Image ist die Sehnsucht nach einem emotionalen Mehrwert, der über Kauf und Nichtkauf entscheidet. Das Image hat die Macht über den Erfolg. Ich spreche hier vom Brandmood, dem Markengefühl, der zum entscheidenden Faktor für loyale Kunden und Mitarbeiter wird. Ein UVP wird somit zu einem faktischen und meßbaren USP. Denn: Emotionen schaffen Fakten in Umsatz- und Wertefragen eines Unternehmens.
Die aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass es im Jahr 2019 rund 3,6 Millionen steuerpflichtige Unternehmen in Deutschland gab. Fast alle davon sind kleine und mittlere Unternehmen. Ist es bei der hohen Anzahl überhaupt möglich, noch mit einem USP herauszuragen?
Dlouhy: In Zeiten von Preis- und Produktgleichheit steigt der Unternehmenskannibalismus. Märkte werden spitzer und Angebote austauschbar. Dennoch ist der USP nach wie vor der Verkaufshebel. Die Frage ist nur, was mache ich zu meinem USP? In der Mehrheit ist das immer weniger ein Produktmerkmal allein.
Sondern?
Dlouhy: Das größte Potenzial gewinnbringender Unternehmenskommunikation liegt im Content. Die traurige Nachricht ist: Die wenigsten Unternehmen haben Content, der relevant und wettbewerbsfähig ist. Es geht nicht um einfaches „Copy & Paste“ von Inhalten und Texten. Erfolgreicher Content ist die Königsdisziplin und bedarf der strategischen Aufbereitung und Inszenierung von Inhalten. Guter Content ist nicht nur relevant, sondern erzählt bewegende Stories, welche zur stärkeren Identifikation und Kundenbindung führen. Erfolgreicher Content bedeutet relevanter Inhalt, der sich in die gesamte Brand Experience des Unternehmens einbinden lässt und darüber hinaus für mehr Reichweite sorgt.
Wie lässt sich ein USP im eigenen Unternehmen überhaupt identifizieren?
Dlouhy: Das ist ein Prozess in Verbindung mit vielen Fragen, die sich ein Unternehmen ehrlich beantworten muss. Wir befinden uns längst in Käufer- und nicht in Verkäufermärkten. Das fängt beim eigenen Geschäftsmodell an, geht über das richtige Angebot bis hin zur Zielgruppendefinition. Die wenigsten Unternehmen kennen ihre Zielgruppe ausreichend gut und verstehen die Psychologie der Märkte und Menschen. In Zeiten des Ressourcenmangels ist es essentiell, seine Verhandlungsmacht zu steigern und sich als die einzig wahre Wahl zu positionieren. Kurz: Wenn der Kunde sein Problem lösen möchte, kommt er an Ihnen nicht vorbei. Den USP an Preis und Rabatte zu binden ist der Anfang vom Ende. Mir ist wichtig, dass Unternehmen verstehen, dass ihre Qualität nicht verhandelbar ist. Das Ziel ist es doch, den Preis so zu verankern, dass er sich für den Käufer angemessen und fair anfühlt.
Die fünf häufigsten Fehler beim Aufbau einer eigenen Marke
- Sie orientieren sich nicht am Bedarf des Kunden und sind somit weniger „verlockend“ für die Zielgruppe. Kurz: Löwen fressen keine Möhren.
- Sie bauen zu sehr auf das Produkt auf, sind beliebig und somit nicht relevant in der Botschaft. Ein Logo, eine Webseite haben alle. Das macht alles aber noch längst keine Marke mit dem Wanted-Gen aus. Dabeisein reicht nicht aus.
- Um sich von Wettbewerbern abzuheben, benötigt ein Unternehmen mutige Zielsetzungen. Stichwort „Open Innovation“. In den Massen mitzuschwimmen, um keine vermeintlichen Fehler zu machen, führt weder zu Sichtbarkeit noch zu Erlebbarkeit.
- Das Motto „Ich rede, also bin ich“ ist ein Dauerzustand in vielen Unternehmen. Erfolgreiche Kommunikation und Motivation bedeuten aber auch eine konsequente Umsetzung – nach innen und nach außen.
- Der Knackpunkt! Die Mehrheit der Unternehmen schafft es nicht, ihr Angebot mit einem Mehrwert an den Bedarf der richtigen Zielgruppen zu knüpfen. Sie sind beliebig, nicht unique! Sie teilen sich einen USP mit der Mehrheit der deutschen Unternehmen: die Austauschbarkeit.
Wieso kennen so viele Unternehmen ihre eigenen Stärken nicht, wenn doch der USP auch darüber entscheidet, ob sich ein Geschäftsmodell rentiert oder wohin die nächste Investition fließen soll?
Dlouhy: Kein kontinuierliches Innovations- und Kommunikationskonzept für sein Unternehmen zu definieren, ist unterlassene Unternehmensführung. Für Innovationen, die Märkte beflügeln, neue Zielgruppen gewinnen und den Wettbewerb verdrängen, müssen wir wieder lernen, Altes und Bekanntes durch neue Augen zu sehen. Die meisten Unternehmen kommen da leider immer noch von einer gewissen „Produktverliebtheit“. Und genau die ist fatal. Es geht um das Über-Bedürfnis der Menschen – einen Mehrwert. Denn ein gutes Produkt haben viele Unternehmen. Aber welchen Mehrwert haben Sie zu bieten? Erfolgreiche Marken der Zukunft haben es verstanden: Sie zeigen Haltung und schaffen ein Identifikationsangebot. In schnelllebigen Zeiten suchen junge Generationen nicht nur ein Produkt, sondern Orientierung und Vertrauen. Unternehmen, die dies bieten, schaffen bereits jetzt die Grundlage einer neuen Kundengeneration und binden junge Käufergruppen an sich und ihr Unternehmen. Hat der potenzielle Kunde Vertrauen gefasst, hilft ihm dies bei der Kaufentscheidung. Somit werden die Unternehmenswerte, sogenannte Soft-Facts, zu kaufentscheidenden und umsatzrelevanten Hard-Facts. Unternehmen mit einer starken Werte-DNA können somit Umsatz- und Wertsteigerungen um bis zu 50 Prozent erzielen. Leider haben es zahlreiche Unternehmen verpasst, die eigene Unternehmenskultur und kommunizierte Marken-DNA dem radikalen Wandel der Gesellschaft sowie der Märkte anzupassen.
Wie kann man aus einem Trend einen wirklichen USP machen? Stichwort Nachhaltigkeit etwa.
Dlouhy: Richtig, was wir häufig beobachten sind Versuche, auf den Zug eines vermeintlichen Trends aufzuspringen und für sich als USP zu beanspruchen. Doch ein gut funktionierender USP kommt aus dem Inneren der Marke und muss langsam in die Märkte und in die Herzen der Menschen übertragen werden. Es ist ein Identifikations-Magnet. Dabei gilt: Authentizität ist essenziell. Wir sehen leider häufig das Gegenteil: Mehr Schein als Sein. Nachhaltigkeit ist kein Trend, sondern eine Chance, sich im internationalen Ranking der Top-Wirtschaftsnationen wieder nach vorne zu bringen. Nachhaltigkeit steht für eine Unternehmenshaltung. Für eine ökologisch-ökonomisch-soziale Zukunft ist sie Pflicht. Denn die Menschen schauen immer genauer hin und hinterfragen, für welches Unternehmen sie arbeiten, von welchem Unternehmen sie Waren und Dienstleistungen beziehen. Kurz: Auch hier liegt enorm viel Potenzial, sich mit den richtigen Maßnahmen gewinnbringend vom Wettbewerb zu distanzieren.
Bitte beenden Sie folgenden Aussage: Im internationalen Vergleich und mit Blick auf den USP punkten deutsche Unternehmen vor allem mit…
Dlouhy: Qualität, Know-how und Zuverlässigkeit. Doch Vorsicht, es bröckelt. In den vergangenen Jahren hat ein massiver Ausverkauf der Kernkompetenzen stattgefunden. Durch den Druck des internationalen Wettbewerbs haben wir deutsche Qualität preiswerter in den Markt gebracht und auf der anderen Seite Kern-Know-how ins Ausland verschenkt. Ein verheerender Kreislauf. Wir haben uns an vielen Stellen den Wettbewerb selbst herangezogen.
Die Autorin
Nadine Dlouhy ist mehrfach ausgezeichnete Top-Expertin für strategische Markenentwicklung und Positionierung. Als CEO der »BrandLite GmbH« unterstützt sie Unternehmen dabei, Marken digital sichtbar und erlebbar zu machen. Zudem ist sie als Dozentin an der Hochschule »Fresenius University of Applied Science« tätig – ihre Schwerpunkte liegen hier mitunter im Bereich »#Digitale Innovation« und »Strategisches Management«. Mit Ihrem Buch »Think Innovation – der Management-Ratgeber« ist sie Amazon-Bestseller-Autorin und zählt zu den Top-TenCoaches in der »DACH«-Region. Regelmäßig wird Nadine Dlouhy von renommierten Medien, wie »NTV«, »Focus«, »W & V«, WDR und vielen mehr als Expertin interviewt.